Der Anfang – Berlin im Sommer 1995
Im Sommer 1995 veränderte Berlin sein Gesicht: Täglich entstanden neue Baustellen – Kräne wohin man sah. Die „Neue Mitte“, der einst geteilten Stadt, sollte wieder errichtet werden. Bauarbeiter aus allen möglichen Ländern kamen. Für sie entstand auf dem Potsdamer Platz, direkt an der größten Baustelle Berlins, eine eigene Stadt aus Containern. Damals entdeckte ich den Container als universellen Behälter und Transportmittel.
Das Containerphänomen
Mit Containern werden die Warenströme zwischen Städten, Ländern, und Kontinenten bewegt. Ob auf Schienen, Lkws, auf Schiffen oder im Flugzeug – die Stahlbehälter mit den weltweit gleichen Normmaßen (2,60 x 2,50 x 7,30 m, Hülle: 2,5 mm) sind überall im Einsatz. Container transportieren moderne Technik, humanitäre Hilfsgüter, illegale Einwanderer, Bananen, Möbel und Abfälle – alles, was wir besitzen, was wir haben wollen und was wir los werden möchten.
Wie kein anderes Transportmittel ist der Container zum Symbol unserer globalisierten Welt geworden, unverzichtbar für jedes zivilisierte Land. Allein in den USA, wo der Container 1956 erfunden wurde, werden heute 80% aller Importwaren in Containern transportiert.
Meine Container-Arbeiten
1998 begann ich mit einem Container durch Deutschland und Europa zu reisen: Kunst stand drauf und Kunst war drin. Ich hatte einen ganz gewöhnlichen Frachtcontainer blau angestrichen und darauf die Buchstaben EX-IST-ART geklebt – das war meine Galerie. Künstlern mit interessanten Ideen stellte ich den Container kostenlos zur Verfügung. In welcher Stadt, an welchem Ort der Container stehen sollte, konnten die Künstler selbst bestimmen.
Drei Jahre später, im Sommer 2002, begann ich den Container zu zerlegen und selbst zum Kunstobjekt zu machen: Damals quartierte ich mich auf dem Gelände des Container Terminals Service in Köln ein. Dort, wo die Arbeiter des Terminals normalerweise beschädigte Container reparierten, machte ich mich mit Schweißbrenner und Schleifgerät an die Demontage.
Ich trennte ein Stück aus der starren Seitenwand heraus und verformte die nun labile Blechwand in eine bewegliche, wellenartige Form. Der Container war aus seiner Hülle befreit, zurück blieb das Skelett. Erst jetzt bemerkte ich die Eckverbindungen aus Massivstahl mit ihren seltsamen Öffnungen. In diese Öffnungen greifen die Arme der Gabelstapler, wenn sie die tonnenschweren Kolosse transportieren.
Plötzlich wurde mir klar, dass es genau diese Eckverbindungen sind, die es ermöglichen, einen beliebigen Frachtcontainer um die Welt zuschicken und ihn an jedem Ort, Zentimeter genau zu platzieren. Ich trennte eine der Eckverbindungen heraus – und erhielt so eine stählerne Pyramide von ca.60 Zentimetern Höhe. In meiner Kölner Ausstellung (www.rachelhaferkamp.de) im August 2003 wurde diese Pyramide zusammen mit drei der verformten Container-Teile in einem leeren, weißen Raum gezeigt.
Utica – New York, USA
Ab Herbst 2003 beschäftigte ich mich stärker mit den Inhalten von Containern. In Utica, NY, USA, entstanden bei einem Arbeitsaufenthalt drei bislang unveröffentlichte Arbeiten. Es handelt sich um drei Wandreliefs (4,50 x 4,50 feet). In diese Reliefs habe ich Rohstoffe wie Wasser, Rohöl, Holz oder Leerstellen eingearbeitet.
In Utica realisierte ich darüber hinaus ein Containerfrühstück zwischen Künstlern in Berlin, New York City und Utica – an allen drei Orten standen Container, in denen Künstler mit Hilfe von Kameras, Mikrofonen, Beamern und einer Internet-Leitung zeitgleich miteinander frühstücken und kommunizieren konnten.